Die Frau mit dem schlechtesten Timing der Welt

Man könnte es auf das Alter schieben, aber sie war schon immer so.

Zuerst plauderten wir ein bisschen im Garten. Sie waren mit dem Auto unterwegs gewesen. Wie sie immer wieder heil nach Hause kommen, grenzt fast an ein Wunder, denn auf dem einen Auge ist er fast blind. Und tatterig ist er geworden in den letzten Jahren. Ein gutaussehender, fröhlicher und herzlicher Mann ist er gewesen. Musiker. Hauptsächlich Gitarre, Klarinette und Saxophon. Andererseits auch immer in bisschen in seiner Welt. Was wirklich in ihm vorging, wusste man nicht, glaube ich.

Geheiratet haben sie erst, als meine Mutter sechs war. „Mama, wann heiraten wir endlich?“, hatte sie immer gefragt. Sie war das einzige Kind, dessen Eltern nicht verheiratet waren. Das bekam sie durchaus von den ehrbaren Bürgern, den katholischen Schwestern und besonders dem Pfarrer zu spüren. Inzwischen sind sie eine Ewigkeit verheiratet.

Wie gesagt, sie kamen von einer Fahrt zurück. Ich saß im Garten und wartete auf Handwerker. Der Maler sollte kommen und ein Bekannter mit Helfer, weil die Markise defekt ist. Sie setzte sich zu mir – und dann will sie immer erzählen. Gut, ich verstehe es, aber manchmal ist es auch extrem nervig. Hinterher ging sie nach oben in ihre Wohnung. Es dauerte noch ein Weilchen, bis die Handwerker da waren. Natürlich kamen sie dann alle zusammen, ich konnte aber schlecht gleichzeitig mit dem Maler im Schlafzimmer sprechen und am anderen Ende der Wohnung im Wintergarten sein.

Dann hörte ich sie rufen, laut und mit diesem quengeligen Unterton: „Andrea! Andrea, bist du da? Komm mal her, ich muss dir was zeigen.“ Ich war alarmiert und eilte zu ihr. „Jetzt hat sich sich wehgetan“, schoss es mir durch den Kopf. „Ich war doch heute im Keller. Schau her, zwei so gute ungetragene Schlafanzüge in Gr. 52 (die Schlafanzüge gehörten meinem Bruder, der vor 12 Jahren verstorben ist, Schiesser versteht sich) habe ich gefunden. Könnt ihr die nicht brauchen?“ (Selbst nach einer strengen Fastenkur würde mein Ehemann da vermutlich nicht reinpassen.)

Mein Blick wanderte zu den beiden Herren, die auf dem Wintergarten herumkletterten und ich dachte an Klaus, den Maler, der auf mich wartete.

Da hatte sie wieder zugeschlagen, die Frau mit dem schlechtesten Timing der Welt.

Ort des Geschehens